Donnerstag, 27. September 2007

Was bin ich?

Die Gäste bei Robert Lembke hatten es gut: Sie durften eine Geste vorführen, die das Rateteam auf die Spur zum meist seltenen Beruf des Gastes bringen sollte. Selbst eine Hausfrau – deren »Beruf« nach Lembkes Meinung nicht von Männern ausgeführt werden könne – find ihren Weg in die Sendung. In unserer manchmal als postmodern bezeichneten Zeit könnte man auf die Idee kommen, dass die Reduktion eines Menschen auf seine berufliche Tätigkeit kritikwürdig ist.

Mit der Einführung von Studiengebühren fällt die Universität jetzt lange vor die Moderne zurück: Die Idee, »Studienbedingungsverbessernde Ressourcen (!)«, die aus Studiengebühren finanziert wurden, auch im Internet entsprechend zu kennzeichnen, macht auch vor den neu eingestellten MitarbeiterInnen nicht halt. Auf den Seiten von einigen DozentInnen findet sich das Logo mit dem Schriftzug »Ich bin Dein Studienbeitrag«, das sie zum Humankapital der besonderen Art degradiert.

Was bedeutet diese »Auszeichnung« eigentlich? Darf ein Student von solchen DozentInnen mehr erwarten, weil er sie ja bezahlt hat? Sind auch gute Noten käuflich? Einiges spricht dafür, dass die neuen MitarbeiterInnen selbst ihre Vorbehalte gegen Studiengebühren weniger deutlich äußern. In dieser Beziehung wurden sie also schon gekauft.

Tatsächlich ist jedes einzelne online und offline angebrachte Logo ein Denkmal für den Rückzug des Freistaats aus der Finanzierung seiner Hochschulen. Das sollte auch an den Büchern und Computern stehen, die neu angeschafft wurden. Den neuen MitarbeiterInnen braucht man aber auch das nicht ansehen zu können. Sie sind kein Studienbeitrag, sondern Mitglieder einer Gemeinschaft von Forschenden und Lehrerenden – wie es sich für eine Hochschule gehört.

Montag, 24. September 2007

ABS-Vernetzungstreffen in Hamburg

Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren veranstaltete vom 21. bis 23.09.07 zusammen mit den boykottierenden Studierenden der Hochschule für bildende Künste in Hamburg ein bundesweites Vernetzungstreffen. Dieses Treffen fand im Rahmen der „Intensivwochen“ statt, welche die Studierenden der HfbK durchführten, um mit Vorträgen und Workshops unter dem Motto „offen für jeden – für jeden offen“ eine kreative und kostenlose Alternative zum anstehenden Bezahlstudium anzubieten und auf ihre prekäre Situation hinzuweisen. Zur Zeit droht 160 Studentinnen und Studenten die Exmatrikulation, sollten sie die Gebühren nicht innerhalb der ihnen gesetzten Gnadenfrist berappen.

Um uns mit ihnen zu solidarisieren und den bundesweiten Protest gegen Studiengebühren zu unterstützen, haben auch wir den langen Weg nach Hamburg an diesem Wochenende auf uns genommen.

Inhaltlich standen unter anderem die Auswertung gelaufener Boykotte, Konzepte einer freien Bildung, Perspektiven einer kritischen Hochschulpolitik und die Planung bundesweiter Aktionen auf dem Programm.

Über weitere Entwicklungen werden wir in unserem Blog informieren und wünschen den mutigen Boykotteuren Durchhaltevermögen und die nötige öffentliche Unterstützung.

Universität im Goldrausch: Von gezielter Unterfinanzierung zur Verschwendung von Studiengebühren

Die Universitätsverwaltung hat auf ihrer Homepage erstmals Rechenschaft über die Verwendung der Studiengebühren abgelegt. Die Tabellen aus der Verwaltung dokumentieren fehlende Transparenz, unwirtschaftliche Mittelverwendung, unsachgemäße Verwendung und den zunehmenden Rückzug des Staates aus seiner Verantwortung für seine Hochschulen. Damit liefert die Universität selbst neue und gute Argumente gegen Studiengebühren.

Die rechnerische Qualität der Auflistung ist bescheiden: Die Universität gibt den Gebühreneingang mit circa 5 Millionen EUR an, während insgesamt Kosten in Höhe von geschätzt 6,5 Millionen EUR aufgeführt werden. Darüber hinaus wurden einige neue Lehraufträge der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen und der Philologisch-Historischen Fakultät zwar angegeben, die dazu nötigen Mittel aber schlicht nicht aufgeführt.

Die Kosten für das Lehrpersonal - das wird aus den Tabellen der Verwaltung dennoch deutlich - machen den größten Anteil an den 5 Millionen EUR aus. Die Stellenkürzungen in den vergangenen Jahren haben hier deutliche Spuren hinterlassen und Bedarf entstehen lassen, der nun gestillt werden kann. Leider sind die NachwuchswissenschaftlerInnen, die so angestellt werden können, nur Mitarbeiter zweiter Klasse. Sie müssen doppelt so viele Lehrveranstaltungen durchführen als ihre KollegInnen (Vollzeitstelle: 10 Stunden pro Woche). Schlechte Arbeitsbedingungen gefährden die Qualität universitärer Lehre.

Das bayerische Hochschulgesetz verlangt, dass die Studiengebühren nur für die Verbesserung der Studienbedingungen eingesetzt werden dürfen. Das hindert die Universität jedoch nicht daran, auch Verwaltungsstellen, etwa für 66.000 EUR in der Abteilung Akademische Angelegenheiten und Rechtsangelegenheiten zu schaffen. Ein Teil der Personalmittel wird auch dafür bereitgestellt, so genannte Stellensperren zu überbrücken. Stellensperren werden verhängt, wenn Planstellen an der Universität neu besetzt werden müssen, beispielsweise, wenn ein neuer Professor verpflichtet wurde. Dann dürfen die Stellen eine Zeit lang nicht besetzt werden, um Kosten zu sparen. Da die Arbeit jedoch gemacht werden muss, werden die Personalmittel dafür anderweitig aufgebracht. Studiengebühren eignen sich hierfür offenbar hervorragend, um den bayerischen Haushalt zu entlasten.

Eine Bemerkung noch zu den geschaffenen Stellen in der Lehre: An der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät werden 24 neue Stellen in der Lehre geschaffen. Diese DozentInnen sind verpflichtet, 120 Lehrveranstaltungen in jedem Semester anzubieten. Im letzten Wintersemester haben an der Fakultät etwa 150 Veranstaltungen stattgefunden. Insgesamt wird die Anzahl der Lehrveranstaltungen damit fast verdoppelt. Das wäre ja prinzipiell erstrebenswert. Doch diese enorme Erweiterung des Lehrangebots lässt die Frage nach der nötigen Infrastruktur offen. Für 120 Lehrveranstaltungen werden bei optimaler Ausnutzung etwa 4 neue Veranstaltungsräume benötigt, die neuen MitarbeiterInnen benötigen mindestens 12 neue Büros, inklusive Ausstattung. In den anderen Fakultäten ist die Lage ähnlich. Wo dieser Platz in den Universitätsgebäuden herkommen soll ist mehr als fraglich, da die räumliche Auslastung bisher schon erhebliche Schwierigkeiten bereitet hat.

Etwa 1,5 Millionen EUR, davon muss ausgegangen werden, wurden unsachgemäß ausgegeben, d.h. sie führen nicht direkt zur Verbesserung der Studienbedingungen. Das heißt auch, dass die restlichen 4 Millionen EUR, also der Großteil, was aus den Studiengebühren finanziert wird, wichtig und sinnvoll ist. Die Infrastruktur im Bereich der Informationstechnologie, der Bibliotheken und der Hörsaalausstattung bedarf dringend der Erneuerung und Ergänzung. Das zeigt aber nicht, wie wichtig Studiengebühren sind, sondern wie der Freistaat seine Universitäten über Jahre vernachlässigt hat!

Und nun, da das Geld verteilt werden kann, bestätigten vielen Gremien an der Universität, dass es nicht immer ganz einfach war, die von den Studierenden abgepressten Gebühren überhaupt halbwegs sinnvoll auszugeben. Vielerorts ist sogar eine Goldrauschstimmung ausgebrochen – mit entsprechender Auswirkung auf die Seriosität der Berechnungen. Beispiel: Für die neue Versorgung mit drahtlosen Internetzugängen auf dem Campus werden über 200.000 EUR angesetzt. Studentische Experten gehen in einem Online-Forum davon aus, dass selbst bei großzügiger Kalkulation höchstens die Hälfte des Betrags notwendig sein müsste.

Auf der Ebene der Universität zeigt sich: Nachdem dringend notwendige Anschaffungen nun aus dem studentischen Geldbeutel finanziert wurden und für die kommenden Semester so nicht mehr notwendig sein werden, ist es dringend notwendig, die Studiengebühren in einem ersten Schritt auf 300 EUR zu senken. Dies steht in der Macht der einzelnen Universitäten. Die Hochschulleitung steht in der Pflicht, weil studentische Mittel sonst auf mehr als fragliche Weise verschleudert werden. Außerdem darf der Wissenschaftsminister als Dealer nicht erfolgreich sein, wenn es darum geht, die Universitäten anzufixen und sie langfristig von den Gebühren abhängig zu machen.

Weiter müssen die Studiengebühren ganz abgeschafft werden, um eine Hochschulfinanzierung durch den Staat zu gewährleisten. Das ist sowohl wichtig für eine sozial gerechte Gesellschaft, als auch für den Fortbestand einer lehr- und forschungsreichen Bildungslandschaft, die nicht in erster Linie nach ökonomischen, sondern nach wissenschaftlichen Zielsetzungen funktionieren muss: Wissen schaffen. In diesem Sinne fordert Contra die universitären Gremien auf, sich für eine Abschaffung der Studiengebühren einzusetzen.
(Knut und Simon)

Montag, 10. September 2007

CONTRA! fordert Besetzung des Universitätsrats mit StudiengebührengegnerInnen

Die mehrheitliche Entscheidung des Senats der Universität Augsburg, den bisherigen Hochschulratsvorsitzenden, Bankier und Stifter Kurt F. Viermetz nicht für den ab 1. Oktober neu zusammengesetzten Universitätsrat zu bestätigen, sorgte für Empörung bei der lokalen Presse und Wirtschaft sowie hochrangigen VertreterInnen aus der Politik. Am kommenden Mittwoch sollen die beiden noch vakanten Plätze in diesem an Kompetenzen reichen neuen Hochschulgremium vergeben werden. Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren CONTRA! fordert die Mitglieder des Senats auf, KandidatInnen den Vorzug zu geben, die eine kritische Position gebenüber aktuellen hochschulpolitischen Entwicklungen wie der Einführung allgemeiner Studiengebühren einnehmen.


Nach neuer gesetzlicher Regelung wird der bisherige Hochschulrat ab 1.Oktober durch den Universitätsrat ersetzt. Dieser wird sich an der Universität Augsburg aus jeweils sechs internen und sechs externen stimmberechtigten Mitgliedern sowie der beratend fungierenden Genderbeauftragten zusammensetzen. Die internen Mitglieder gehen aus den Hochschulwahlen hervor. Die externen VertreterInnen werden von der Universitätsleitung dem Senat vorgeschlagen und nach erfolgter Wahl vom Wissenschaftsminister bestellt.

Am 24. Juli lehnte der Senat der Universität Augsburg mehrheitlich die bisherige Hochschulrätin Frau Ulrike Leutheusser und den bisherigen Hochschulratsvorsitzenden Herrn Kurt F. Viermetz ab. Zuvor hatte der Senat von seinem Recht auf Anhörung der KandidatInnen Gebrauch gemacht, wobei Frau Leutheusser durch Krankheit verhindert war. Die demokratische Abwahl von Herrn Viermetz sorgte für politischen Wirbel und Verdruss.

Von Wissenschaftsminister Goppel mussten sich die Senatsmitglieder belehren lassen, dass man mit dem größten Gönner der Universität »nicht so leichtfertig umgehen« könne. Theo Waigel, ehemaliger Bundesfinanzminister, äußerte Überlegungen, aus Solidarität mit Viermetz vom Vorsitz im Kuratorium der Universität zurückzutreten. Schließlich sei es unwürdig, »(e)inen Mann, der so viel investiert hat in die Universität, in der Form abzukanzeln«. Allerorten war der Tenor, dass man mit einem Mann von Viermetz' Provenienz und Engagement »so nicht umgehen« könne. Der Presse ließ sich entnehmen, die Hintergründe der Abwahl würden von Wirtschaftsvertretern als »eher politisch motiviert« vermutet.

Warum die Entscheidung des Senats jedoch nicht auch politisch motiviert sein darf, wurde nirgends erklärt. Angesichts der deutlich erweiterten Kompetenzen des künftigen Universitätsrats stellt sich vielmehr die Frage, wie eine derartige Wahl NICHT politisch motiviert sein sollte. Der künftige Universitätsrat wird eines der höchsten Gremien der Universität darstellen und entscheidend an ihrem Profil mitwirken. Beschlüsse wie die über die Einrichtung oder Einstellung von Studiengängen, die künftig in der Kompetenz des Universitätsrates stehen werden, waren und sind stets auch politische Entscheidungen.

Was den Senatsmitgliedern vorgeworfen wird, ist deshalb tatsächlich nicht, DASS sie eine politische Entscheidung über die Zukunft der Universität getroffen haben, sondern WIE ihre Entscheidung ausfiel. Aus welchen Gründen die einzelnen Senatorinnen und Senatoren die Kandidatur von Herrn Viermetz abgelehnt haben, obliegt ihnen selbst. Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren CONTRA! begrüßt jedoch diese Entscheidung. Herr Viermetz hatte am Tag der Universität am 5. Juli anlässlich des von seiner Stiftung verliehenen Wissenschaftspreises deutlich gemacht, wie seine Vorstellungen eines blühenden Hochschulbetriebes aussehen: Zunehmender Wettbewerb und Konkurrenz sorgen dafür, dass die Besten und ihre Ideen sich durchsetzen, wohlhabende Gönner wie er selbst fördern den leistungsfähigen Nachwuchs und soziale Gerechtigkeit stellt sich damit von selbst ein. Die hohe soziale Selektivität des deutschen Schulwesens, die in zahlreichen Studien eindrücklich nachgewiesen ist, scheint Herrn Viermetz unbekannt. Auch der Gedanke, steigende Konkurrenz auf jeder Ebene des universitären Betriebes führe zu einer Verbesserung der Leistungen wirkt bestenfalls naiv.

Das Aktionsbündnis CONTRA! fordert die Senatsmitglieder auf, bei der Nachwahl zum neuen Universitätsrat KandidatInnen den Vorzug zu geben, die für eine fachliche und kritische Sicht auf die derzeitigen Umgestaltungsprozesse der Hochschullandschaft stehen. Von Mitgliedern eines der höchsten universitären Gremien ist zu erwarten, dass sie aktuelle Entwicklungen wie Elitestudiengänge, die Einführung von Studiengebühren oder die zunehmend von Universitäten geforderte Drittmitteleinwerbung kritisch auf ihre mittel- und längerfristigen Folgen für die Freiheit und Qualität von Forschung und Lehre untersuchen und entsprechende Konsequenzen ziehen. Auch auf die Gefahr hin, sich in bestimmten Kreisen politisch unbeliebt zu machen.

 
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