Montag, 8. September 2008

Bürokratische Bedenken und politischer Unwille

Wie aus einem Beschluss der studentischen Vollversammlung erst das "Ungetüm Urabstimmung" werden konnte und der Konvent schließlich "Demokratie" neu definierte


Lena Jakat stellte als Vorsitzende des damaligen Konvents in der letzten Ausgabe der AStA-Zeitung "Universum" auf anschauliche Weise dar, dass der Großteil der gewählten StudierendenvertreterInnen sich lieber mit verfahrenstechnischen Fragen befasst, als politisch Stellung zu beziehen. Insofern lässt sich die Entscheidung des neuen Konvents, das "studentische Votum" komplett zu canceln nur als konsequent bezeichnen.


Die Vorgeschichte

Auf der studentischen Vollversammlung im Winter 2007 hatte das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren "Contra" einen Antrag auf Durchführung einer studentischen Urabstimmung gestellt, der von der beschlussfähigen Versammlung mit überwältigender Mehrheit verabschiedet worden war. Demnach sollten den Studierenden zwei Fragen zur Abstimmung vorgelegt werden: Gefragt werden sollte jeweils, ob sie der Forderung zustimmend bzw. ablehnend gegenüberstehen, a) die Universitätsleitung solle gemäß ihres Handlungsspielraums die Studienbeiträge an der Uni Augsburg auf 300 Euro senken und b) die Universitätsleitung solle sich bei der Bayerischen Staatsregierung für die Abschaffung von Studienbeiträgen und eine bedarfs- und nachfragegerechte Hochschulfinanzierung einsetzen. Damit hätten Studierende die Möglichkeit, sich generell wie bedingt gegen Studienbeiträge auszusprechen.


Wie aus einem Antrag ein "Ungetüm" wurde
Schon während der Vollversammlung hatte Margret Angerer, ehemalige AStA-Vorsitzende und Mitglied des studentischen Ältestenrates, formale Bedenken geäußert, die im Folgenden den Umgang der studentischen Gremien mit dem Thema Urabstimmung dominieren sollten. Was die studentischen VertreterInnen nun beschäftigte war, dass die Satzung der Studierendenschaft zwar die Institution der Urabstimmung kennt, über Durchführung und Finanzierung aber keine Aussagen trifft. Statt sich angesichts dieser Tatsache Gedanken darüber zu machen, wie Studierende sich eine Satzung geben konnten, die zwar basisdemokratische Maßnahmen kennt, diese aber offensichtlich nicht ernsthaft in die Tat umsetzen will oder darüber, wie kreative Lösungswege für diese in Augsburg ungewohnte Form politischer Beteiligung aussehen könnten, stürzte sich der Konvent - in den Worten von Lena Jakat - in "tiefe Verzweiflung" ob verfahrenstechnischer Fragen. Laut Universumsartikel "waren es vor allem die ungeklärten Formalien, die eine Entscheidung immer wieder aufschoben. Denn niemand wollte schnell irgendetwas beschließen und dann die glühenden Kohlen einfach dem Ältestenrat hinterher werfen."
Wie der Verlauf der Konventsitzungen zeigte, ist das jedoch nur die halbe Wahrheit. Zwar wurde während den Treffen immer wieder auf formale Ungeklärtheiten verwiesen, eine Satzung hatte aber keineR der gewählten VertreterInnen dabei, weshalb stets auf die eines Mitglieds des Aktionsbündnisses Contra zurückgegriffen werden musste. Angesichts dessen stellt sich die Frage, inwiefern dem Konvent tatsächlich an einer Umsetzung des Beschlusses der Vollversammlung gelegen ist und ob bürokratische Hindernisse nicht eher als Vorwand genommen werden, um eine politische Angelegenheit und Beteiligungsform, die nicht in die eigenen Vorstellung von repräsentativer InteressenVERTRETUNG passt, auszubremsen. Den "riesigen Bürokratie- und Gremiumsaufwand" angesichts einer angeblich "noch nie dagewesenen Abstimmung", den Lena Jakat im Universumsartikel erwähnt, haben sich die studentischen VertreterInnen selbst konstruiert.
Ein Blick in das akademische Jahrbuch von 1991 zeigt, dass es auch ganz anders gegangen wäre. Dort berichtet die damalige Studierendenvertretung:
"Am 16.1.91 verabschiedete eine studentische Vollversammlung einen Forderungskatalog, der u.a. die Erhöhung des Bildungsetats, Stellenforderungen, bessere Mitbestimmungsmöglichkeiten für Studierende und Zurücknahme des Maßnahmenkatalogs beinhaltete. Die Vollversammlung empfahl angesichts der Notwendigkeit, Maßnahmen zur Durchsetzung der Forderung zu ergreifen, dem StudentInnenparlament, eine Urabstimmung für einen unbefristeten Streik zu beschließen. Am 17.1.91 beschloß das StuPa die Urabstimmung vom 23.-25.1.91 durchzuführen. 3050 StudentInnen (23,9%) beteiligten sich an dieser Abstimmung, bei der letztlich 53% für einen unbefristeten Streik stimmten, der am 28.1.91 begonnen wurde."
Offensichtlich war es damals möglich, innerhalb von weniger als zwei Wochen den Beschluss einer studentischen Vollversammlung zur Einleitung einer Urabstimmung in die Tat umzusetzen.


Das "studentische Votum" und seine Absage durch den neuen Konvent
Worauf sich die studentischen VertreterInnen nach monatelangen bürokratischen Auseinandersetzungen einigen konnten, war ein sogenanntes "studentisches Votum", das zu Beginn des neuen Semesters realisiert werden sollte. Da sie selbst zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr im Amt sein würden, wollte der alte Konvent die endgültige Entscheidung dem teilweise neu zusammen gesetztem Konvent der neuen Legislaturperiode überlassen. Dieser entschied still und heimlich in den Semesterferien, das studentische Votum platzen zu lassen und setzte sich damit einfach über den Beschluss der studentischen Vollversammlung hinweg. Von Seiten des Konvents wurde es nicht einmal für nötig befunden, das Aktionsbündnis "Contra" über diese Entscheidung zu informieren, weshalb Contra noch im September auf diversen Treffen besprach, wie die Urabstimmung bzw. das studentische Votum in der Studierendenschaft bekannt gemacht werden könne.


Eine "Sternstunde" studentischer Demokratie
Selbstverständlich wäre es naiv gewesen zu glauben, dass durch ein eindeutiges Votum gegen Studiengebühren diese hätten aus der Welt geschafft werden können. Die Ablehnung der erweiterten Universitätsleitung (EULE) im Januar 2008, die Studiengebühren wie im Rahmen der der Universität zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auf 300 Euro zu senken, hat deutlich gemacht, dass dies auf Grund der undemokratischen Verfasstheit der Universität nicht möglich ist. Damals wurde der Antrag des einzigen studentischen Vertreters auf Senkung der Beiträge mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.
Was mit dem studentischen Votum jedoch möglich gewesen wäre, ist ein klares Signal gegen Studiengebühren zu setzen und die Mitglieder der Universitätsleitung zu zwingen, eindeutig Position zu beziehen: Hätten sie - den ausdrücklichen Willen der Studierendenschaft missachtend - weiter an der Höhe der Beiträge festgehalten oder diese in einem ersten Schritt gesenkt und sich gegenüber der Landesregierung ernsthaft für deren Abschaffung eingesetzt?
Dank der Entscheidung des neuen Konvents, ist eine derartige Zuspitzung des politischen Konflikts jedoch nicht möglich. Obwohl nur ein nachgeordnetes beschlussfassendes Organ und damit laut Satzung der Studierendenschaft an Entscheidungen der Vollversammlung gebunden, setzte sich dieser über den Beschluss der Vollversammlung vom letzten Wintersemester hinweg und gab damit ein hervorragendes Beispiel dafür, dass nicht nur die Uni insgesamt undemokratisch verfasst ist, sondern auch einige StudierendenvertreterInnen ein höchst merkwürdiges Demokratieverständnis aufweisen. Wie das wiederum mit der Tatsache in Zusammenhang steht, dass überdurchschnittlich viele der gewählten VertreterInnen Politikwissenschaften studieren, möge der und die geneigte LeserIn selbst entscheiden.


Contra - Aktionsbündnis für freie Bildung

 
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