Dienstag, 9. Dezember 2008

Analyse der Außerordentlichen Vollversammlung und des EUle-Besuchs

Im stillen Kämmerchen über ein mehr oder weniger durchdachtes Vorgehen in Sachen Hochschulpolitik entscheiden und dieses auf einer Vollversammlung den Studierenden in der fertigen Fassung vorlegen, es nicht zur Diskussion stellen und pro forma über die bereits beschlossene Sache abstimmen lassen – das war und ist eine Handlungsweise, welche wir häufig an den StudierendenvertreterInnen kritisiert haben. Genau diesen Eindruck haben wir allerdings durch unser Vorgehen bei der außerordentlichen Vollversammlung am 5.11. erweckt.

Nachdem es zuerst in der Augsburger Allgemeinen bekannt gemacht worden war und dann in einer öffentlichen Konventssitzung bestätigt wurde, erfuhren wir vom Angebot der Unileitung, die Studiengebühren im Tausch gegen das Veto-Recht der Studierenden bei der Verteilung der Gebühren, zu senken. Da wir nach eineinhalb Monaten Warten auf eine Reaktion der Studierendenvertreter nicht mehr davon ausgehen konnten, dass dies endlich öffentlich an der Uni zur Diskussion gestellt werden würde, stand der Plan fest, bei der außerordentlichen Vollversammlung die anwesenden Studierenden zu informieren und als für uns logische Konsequenz möglichst viele Menschen für einen anschließenden Besuch in der EUle zu mobilisieren. Dass wir dort vier bereits ausgearbeitete Forderungen vorbringen wollten, stand für uns unumstößlich fest. Zu fragen, was denn die Leute, die wir gerne mobilisiert hätten, denken und wollen, kam uns zunächst nicht in den Sinn. Als während der Vorstellung unseres Antrags eine Diskussion zu allen möglichen und unmöglichen Themen betreffend der Studiengebühren oder des hochschulpolitischen Engagements von „Contra“ losbrach, wurde uns klar, dass wir uns bei den Vorbereitungen zu diesem Tag viel zu sehr auf die Entwicklung unserer Position und das Vorgehen in der EUle konzentriert hatten. Es wurde aber auch klar, dass unter den Studierenden tatsächlich Interesse an hochschulpolitischen Themen und Diskussionen darüber besteht. Vorangegangene Vollversammlungen hatten diesen Eindruck nicht entstehen lassen, was vielleicht eine mögliche Erklärung dafür ist, dass wir diese Veranstaltung auch „nur“ als Infoveranstaltung antizipiert, uns auf Diskussionen und viele verschiedene Meinungen nicht eingestellt hatten, und so entsprechend verunsichert waren.
Das ist für uns durchaus ein Problem, da es uns ein grundsätzliches Anliegen ist, Transparenz zu schaffen und den Diskurs vor allem an der Universität voranzutreiben. Dass uns dies an jenem Tag nur bedingt gelungen ist, war uns und anderen schnell klar. Wie können wir aber zukünftig anders vorgehen? Eine theoretisch fundierte, gut strukturierte Diskussion und Auseinandersetzung ist mit 300 Menschen und unter Zeitdruck kaum möglich. Das Angebot, Montagabend um 19 Uhr (Treffpunkt: vor der alten Cafete) mit uns in einer überschaubaren Gruppe zu diskutieren, gilt natürlich nach wie vor! Grundsätzlich gilt, dass dazustoßen, mitdiskutieren, kritisieren oder nur beobachten kann, wer immer dies tun möchte!

Aber zurück zur außerordentlichen Vollversammlung und dem darauf folgenden Besuch der EUle:
Was hatten wir mit dieser Aktion eigentlich beabsichtigt?
Auch wenn wir eine wirklich demokratische Umgestaltung der Universität, mit neuem Präsidium (oder ganz ohne), gesenkten und bald abgeschafften Gebühren und studentischer Selbstbestimmung sicherlich nicht erwartet hatten, sehen wir keinen Grund unsere Forderungen nicht zu stellen. Der Eindruck, dass solche Forderungen nicht umsetzbar scheinen, zeigt vielmehr wie schlimm es um die realen Verhältnisse steht, als dass es den Widerstand sinnlos machen würde. Vielleicht können nur maximale Forderungen ein minimales Vorankommen sichern. Vielleicht ist dies ein geeigneter Weg, den eigenen Standpunkt deutlich zu machen. Bereits auf der Vollversammlung haben wir jedoch versäumt, den Inhalt der Forderungen näher zu begründen. Dies soll hier kurz nachgeholt werden:

Natürlich forderten wir zum wiederholten Male die sofortige Senkung der Studiengebühren auf das gesetzlich festgelegte Minimum, da die Unileitung formal und nach Formulierung von Bottkes jüngstem „Gedankenspiel“ anscheinend auch ganz praktisch dazu im Stande ist. Da diese Senkung aber nur als ein Schritt auf dem Weg zur völligen Gebührenfreiheit verstanden werden darf, traten wir auch diesmal wieder unmissverständlich dafür ein, dass sich die erweiterte Universitätsleitung bei der Landesregierung engagiert für die Abschaffung der Studiengebühren einsetzt. Dass Studiengebühren eine gewisse Zahl von potentiellen Studierenden letztlich doch vom Studium abhalten, dass sie Bildung noch stärker vom finanziellen Hintergrund des Elternhauses abhängig machen und so soziale Selektion massiv verstärken, sollte nicht zuletzt dank neuester Studien klar sein.

Die Forderung nach Rücktritt des bestehenden Präsidiums fand unter den anwesenden Studierenden keinen ausreichenden Zuspruch, so dass er gar nicht an die EUle herangetragen wurde. Dennoch scheint es auch im Rückblick einige gute Gründe für die Formulierung dieser Forderung zu geben: Darf jemand, der die Universität zusammen mit den Ansprüchen der Studierenden nach innen und nach außen vertritt oder dies zumindest tun sollte, laut über die Abschaffung eines Teils der sowieso nur marginal vorhandenen studentischen Mitbestimmung nachdenken und die Studierenden so auch noch in die potentielle Lage bringen, diese Mitsprache für 200 Euro pro Semester zu verkaufen? Dürfen diese Personen über ein solches Angebot diskutieren, wenn sie zudem sowieso die Möglichkeit haben, das Veto-Recht der Studierenden jederzeit abzuschaffen und die Höhe der Gebühren in jedem Semester neu zu bestimmen, ohne dass der einzige Vertreter der Studierendenschaft daran auch nur irgendetwas ändern könnte? Darf ein solches Präsidium weiterhin die Leitung unserer Universität inne haben?!

Dies steht in engem Zusammenhang mit unserer Forderung nach einer tatsächlichen demokratischen Umgestaltung der universitären Grundordnung. Damit ist gemeint, dass die Gruppen an der Uni, nämlich das wissenschaftsstützende Personal, die Professoren und die Studierenden entsprechend ihrer Anzahl in den Gremien vertreten sind. Wie lassen sich die 15 Profs in einem Gremium mit 19 Mitgliedern gegenüber einem stimmberechtigten studentischen Vertreter rechtfertigen, wo doch die Universität nur etwa 170 Professoren, aber rund 15.000 Studierende umfasst!
Unser Auftreten in der EUle wurde aber nicht nur von einigen ihrer Mitglieder, sondern auch von KommilitonInnen als „undemokratisch“ gewertet. Warum?
Weil wir keine Mehrheit vertreten? Protest ist ein ganz grundlegendes Recht in der Demokratie und das sicherlich nicht nur für Mehrheiten. Wie anders sollten Individuen sonst ihre außerhalb des Mainstreams liegenden Interessen vertreten?
Oder undemokratisch, weil wir die bestehenden herrschaftsstabilisierenden Gesprächskonventionen gebrochen haben? Gerade das ist für uns jedoch Ausdruck einer konsequent formulierten Forderung nach Demokratie. Der Wunsch nach einer Universität (und zuletzt einer Gesellschaft) ohne repressive Autoritäten und unterdrückte Bedürfnisse kann nicht bei seiner Artikulation aufhören. Es geht darum, Forderungen klar und deutlich zu formulieren, einen Standpunkt zu beziehen und diesen nicht schon durch unterwürfiges Verhalten zu verwässern. In einer Demokratie muss es möglich sein, Kritik auf Augenhöhe zu äußern, ohne Kniefallrituale vor dem Selbstverständnis nach scheinbar unhinterfragbaren Autoritäten zu vollziehen.
Die Idee von der Universität als theoretischer und praktischer Gesellschaftskritik ist so neu nicht. Sie meint vor allem die Kritik jeder Autorität, da der Geist der Wissenschaft auch der Geist der Freiheit ist!1
Dass diese Ansicht vielleicht nicht von allen geteilt wird, die uns zur EUle begleitet haben und dass einige mit unserem Vorgehen nicht ganz einverstanden waren, ist schnell deutlich geworden und lag unter anderem sicherlich daran, dass wir dieses Vorgehen vorher nicht näher begründet hatten. Trotzdem war und ist nicht zu erwarten, dass wir als homogene Masse, vor der Unileitung oder anderswo auftreten. Natürlich gibt es unterschiedliche Meinungen und Methoden, sicherlich häufig auch unterschiedliche Ziele. Bis zu welchem Grad eine konzeptionelle und praktische Zusammenarbeit möglich und gewollt ist und wie sich diese dann gestaltet, muss im Einzelfall geklärt werden.

Aber was hat das alles nun gebracht? Eine Frage, die man aus sehr vielen verschiedenen Sichtweisen sicherlich sehr unterschiedlich beantworten kann. Einige der Ergebnisse aus unserer Sicht sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

Zunächst haben wir das Ziel, unsere KomillitonInnen auf dieses heikle Thema der Hochschulpolitik aufmerksam zu machen und zum Nachdenken anzuregen sicherlich erreicht, wenn dies auch nur für einen kleinen Teil der Studierendenschaft zutreffen mag. Durch die hitzige Diskussion wurde deutlich, dass das Bedürfnis nach einer Hochschulpolitik vorhanden ist, die die Studierendenschaft direkt in Entscheidungsprozesse involviert und durch diese die Politik legitimiert.
In der EUle-Sitzung wurde auch schnell klar, dass eine Senkung der Gebühren, die bisher immer noch in diffuser Form im Raum stand, in diesem Gremium nicht gewünscht wird. Deutlicher hätte man sich hier gar nicht ausdrücken können. Das gilt auch für die Meinung des Vizepräsidenten Prof. Loidl, der deutlich macht, dass der, der mehr Demokratie möchte doch bitte nach Kuba gehen solle. Von gleicher Seite wird außerdem erwartet, dass dem gesamten Gremium die sofortige Entlassung durch die bayerische Landesregierung droht, sollte man sich dazu entschließen demokratischere Strukturen an der Universität zu verwirklichen. Im Zuge der Beschwörung der doch schon relativ demokratischen Universität Augsburg, offenbarte sich gleich darauf der Charakter der studentischen Mitbestimmung als Almosen an die Studierenden. Selbst solche „Rechte“ wie das Veto-Recht oder 1 Stimme (gegen 18) in der EUle gehen über das bayerische Hochschulrahmengesetz hinaus und man solle doch bitte schön dankbar dafür sein, dass wir hier in Augsburg so viel Demokratie genießen dürfen. Unerwähnt bleibt, dass einem solche „Rechte“ auch jederzeit von eben diesem Gremium (der Eule) wieder genommen werden können. Wäre man auf anderem Wege zu derart klaren Aussagen gekommen?
Wie ist das häufige Schweigen, die große Aufregung und die langen, häufig inhaltsleeren Ansprachen mancher EUle-Mitglieder zu werten? Gab es hier tatsächlich ein Stocken oder gar Unsicherheit im sonst so eingespielten universitären Ablauf? So war es bezeichnend, dass die Form der Unterredung in den Vordergrund gerückt und kritisiert wurde, nicht aber auf die Inhalte, also die Forderungen, eingegangen wurde.
Letztlich hat diese Protest-Aktion auch verdeutlicht, dass die Studierenden nicht alle Maßnahmen von höherer Stelle erdulden und dass die momentanen Entwicklungen an unserer und anderen Universitäten mitnichten auf breites Einverständnis stoßen!

Contra

 
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