Freitag, 6. November 2009

Besetzung der Münchner Kunst Akademie

Ein Wiener Komitee traf gestern zur Übergabe eines Wanderbanners in München ein, womit symbolisch - und dann auch reell - der Verve der österreichischen Protestbewegung und Unibesetzer überschlagen sollte. Nach einer Solidaritätskundgebung vor der Münchner Akademie der bildenden Künste (AdbK) und Wiener Grußworten waren sich alle Anwesenden einig: Hier auch! Besetzen!


Das Plenum, das sich im Sitzungssaal der AkbK versammelte, beschloss eine Spontan-Demo am frühen Abend, sowie eine Fete und VoKü. Gegen Abend tummelten sich in dem Gebäude schätzungsweise 300 Besetzer. In zahlreichen Arbeitsgruppen wird die Aufrechterhaltung der Besetzung nun organisiert. Vor allem die Gruppe des Münchner Bildungsstreiks vom vergangenen Sommer (SoS) ist bei der Besetzung massiv beteiligt, und liebäugelt - bei einem Gelingen der Mobilisierungsarbeit und einer Verbreiterung der Protestbasis - mit dem Audimax der LMU.
Die Beteiligung der Akadmiestudenten selbst ist verschwindend gering bei der Aktion, das Gros der Künstler ist leider völlig unpolitisch, und allem Anschein nach gefangen in einer individualistischen, narzisstisch-hedonistischen Milieu-Mentalität - sollten sie uns die nächsten Tage/Wochen nicht eines besseren belehren und doch noch Fähigkeit zur Solidarität zeigen.


Die Akademieleitung toleriert im Übrigen die Besetzung, und zahlreiche Professoren unterzeichneten bereits Solidaritätserklärungen. Von den beiden angebotenen Studiengängen "Freie Kunst" und "Lehramt" wurde bisher erst letzterer modularisiert;
So geht es auch gegen die Modularisierung der freien Kunst Klassen, wobei die Professoren und Verwaltung (bisher) gemeinsam mit den Studenten Front machen;
insofern eine vorbildliche Bewegung. Andererseits muss man sich auch bezüglich der Verwunderung über ein derart kooperatives Präsidium klar machen, dass die Akademie nicht in einem derartigen Konkurrenzverhältnis wie die Unis zueinander stehen, da es neben München nur noch Nürnberg mit einer Kunstakademie gibt, also auch kein "Akademie-Bayern e.V" oder anderer Quatsch nötig ist. Die AdbK ist wohl zweifelsohne eine Prestige-Institution, ein traditionsreicher Hort der Musen und damit ein wichtiger kultureller Standortfaktor, aus der Sicht der Herrschenden.
Diesen Vorteil gilt es sich zunutze zu machen, das scheint ein guter Ausgangspunkt für weitere Aktionen, Forderungen und eine Verbeiterung der Protestbewegung.

Das Tagesprogramm der Besetzung erfährt man auf (falls jemand am Wochenende oder nächstens vorbeischauen will):
http://www.bildungsstreik-muenchen.de

Bilder finden sich auf
http://twitpic.com/photos/bildung_muc

Und Infos zu weiteren aktuellen Uni-Besetzungen in Deutschland (!):
http://unsereunis.de

Mittwoch, 4. November 2009

Kunst-Akademie Besetzung München

Die UNI brennt... http://fm4.orf.at/stories/1631019/





Spontane Rede beim Erstsemesterempfang in der Kongresshalle am 3.11.2009



Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,


In all den Begrüssungsworten und offiziellen Willkommensreden, die Ihr in eurer bisherigen Hochschulkarriere erleben durftet, wurde wahrscheinlich IMMER hervorgehoben, dass ihr die richtige Wahl getroffen habt, weil Augsburg ein super Studienort ist, bayerische Hochschulen quasi per se die Spitze der Wissenschaft repräsentieren und auch der Bachelorabschluss mittlerweile optimistische Zukunftsprognosen erlaubt. Zustimmung, Eigenlob und Qualität wohin man hört. Ich möchte jetzt nicht sagen, alles glatt gelogen - aber es kommt meiner Meinung schon ziemlich nahe, denn dass dies mit Sicherheit nicht die Wahrheit ist, zumindest nicht die Ganze, wisst Ihr mit euerm Bauchgefühl genausogut, es wird nur nicht offiziell darüber gesprochen, deshalb nehm ich mir jetzt zwei Minuten diese Freiheit heraus.

Was bedeutet Studium ursprünglich? Das Studium sollte eine Erziehung zur Mündigkeit sein, als Mensch und als Wissenschaftlerin. Diese Mündigkeit ist aber mitunter nur herzustellen durch eine Erziehung zum Widerspruch und zum Widerstand. Nur dadurch kann sich das, was der Philosoph Immanuel Kant meinte, wenn er sagt, Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit, aktualisieren. (ihr alle kennt das Zitat) Von dieser Erziehung zum Widerspruch und zum Widerstand, der Fähigkeit Kritik auszuüben, ist derzeit in der deutschen Hochschullandschaft leider nichts mehr zu sehen.

Heute gibt es fast ausschließlich eine Nachfrage nach Anpassung und Flexibilität, nach instrumenteller/praktischer Vernunft, nach Aus-bildung. Die Universität bedient primär baldnur noch privatwirtschaftliche Variablen (Geist des sog. Neoliberalismus) und kennt keine gesellschaftspolitischen oder kulturellen Zielsetzungen mehr. Darin aber liegt ihr
eigentlicher Sinn, ihre wesenhafte Aufgabe. Sie sollte auch Reflexion und Korrektiv der gesellschaftlich-historischen Prozesse sein. Die ehemalige Autonomie der Hochschule, eine akademische Selbstverwaltung, ist heute dem universellen Zwang der
Selbstvermarktung gewichen. Die Drittmittelakquise, also das Geld was die Unis für erbrachte Leistungen von der freien Wirtschaft erhalten, zeichnet heute den Erfolg von Wissenschaft aus. In gleichem Atemzug ist auf die sich eklatant steigende Hochschulwerbung hinzuweisen. Wer wird nicht gerne durch ein freundliches „Enjoy your meal“ von O2 in der Mensa begrüßt, oder vom Bayerischen Rundfunk darum gebeten ihn zu hören, weil er sonst sterben müsse, oder legt mal im Vorbeigehen schnell alle seine privaten Daten für ein Marktforschungsunternehmen offen, um an dem Gewinnspiel für ein einmaliges 600-Euro Stipendium teilzunehmen? - Das ist doch alles Lächerlich!
Apropos Lächerlich - die eine oder der andere von Euch wird die letzten Tage vielleicht Post vom CHE, das ist das Zentrum für Hochschulentwicklung - einer 100%igen Bertelsmann Konzerntochter erhalten haben, um bei der Evaluierung ihres/seines
Studienganges mitzuhelfen. Das CHE installiert durch den Rankingzwang einen Konkurrenzkampf wo keiner sein darf und war hauptverantwortlich für Studiengebühren, Bildungsprivatisierung und die aktuelle Umsetzung des Bologna Prozess. Ich kann nur den Boykott des Rankingfetischs empfehlen.

Die Modularisierung, also die Umstellung auf Bachelor und Master, geht einher mit einer
massiven Steigerung Von Lern- und Leistungsdruck, gepaart mit Kontrolle und
unkritischem Denken. In sechs Semestern kann man sich keine Urteilsfähigkeit über das
studierte Fach erarbeiten, aber dies wird dann als indivuduelles Problem gesehen, Nein -
Eine sofortige Veränderung muss sein, Master für alle, ohne Zugangsvoraussetzung oder
sonstige Kriterien. Wir Studierenden sind Beteiligte, angehende Wissenschaftlerinnen und nicht Unbeteiligte konsumierende Kunden. (Sollten es zumindest sein) Deshalb auf ein kurzes Wort zu den studentischen Partizipationsmöglichkeiten innerhalb der Universitätspolitik. Dazu muss man wissen, dass in Bayern die verfassten Studierendenschaften 1973 abgeschafft wurden. Das heisst die studentischen Vertretungen sind Keine Körperschaften des öffentlichen Rechts und haben auch kein finanzielles Budget. An der hiesigen Universität ist der Asta (vielleicht aus deshalb) mittlerweile zur studentischen Dienstleistungseinrichtung geworden und besitzt leider keinen eigenständigen politischen Subjektcharakter mehr. Diese prekäre Studentische Mitbestimmung spiegelt sich in Augsburg in den beiden höchsten entscheidenden Gremien wider. Mit nur einem Vertreter gegenüber 15 Professoren in der erweiterten
Universitätsleitung (Aufsichtsrat) bzw. externen (Wirtschafts)vertretern im Universitätsrat (Vorstand) sind wir Studierenden vertreten.
Eine weitere inakzeptable Auswirkung der nicht verfassten Studierendenschaft sind die Hiwi Jobs, also die studentischen Tutorien und Bürojobs die an der Universität Augsburg mit undankbaren 6,50 Euro Studentlohn vergütet werden, natürlich ohne Urlaubs- oder Weihnachtsgeld oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Eine doppelte Verarschung ist es, wenn man weiß, dass diese Jobs zum größten Teil aus Studiengebühren finanziert werden, die es jetzt ja seit mittlerweile 6 Semestern in Bayern, wie bis auf Hessen in allen anderen Unionsregierten Ländern, gibt. Die Studiengebühren sind das Tauschverhältnis von ökonomischem in kulturelles Kapital. Ich finde da folgenden Spruch ganz treffend: Das deutsche Bildungssystem ist wie ein Sieb, nur wer flüssig ist kommt durch. (Und dabei fängt die soziale Selektion ja nicht erst mit den Studiengebühren an, dann ist man ja (vermeintlich) schon ganz oben angekommen. Es gibt in der BRD ein Viergliedriges Schulsystem (Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Förderschule); nur 17 Länder in ganz Europa leisten sich so ein konservativ reaktionäres Bildungssystem, 16 davon liegen in Deutschland...

Und warum ist es alles so gekommen? Ein Blick in die Statistiken gibt Antworten: Der Anteil der Hochschulausgaben am Bruttoinlandsprodukt ist von 1%, im Jahre 1970) auf 0,85% im Jahre 2000 gefallen, bei gleichzeitiger Verdopplung der Studierendenzahlen. Der gesamte Bildungshaushalt liegt für Deutschland aktuell bei lediglich 4,5% des BIP und damit fast einen Prozentpunkt unter dem OECD Durchschnitt. Das ist eine politische Entscheidung!

Wo sich ebenfalls ein eklatantes Missverhältnis feststellen lässt, ist die Frauenquote bei den Professorinnen. Die BRD belegt dort mit 15% Frauenanteil den vorletzten Platz in Europa; in Augsburg beträgt diese versteckte Diskriminierung „nur“ 18%. Hinweisen möchte ich auch auf die an allen Hochschulstandorten vertretenen rechtskonservativen chauvinistischen Burschenschaften und Verbindungen, die immer bei den Studienbeginnern auf Nachwuchsjagd gehen, Ihr werdet sie nachher im Foyer kennen lernen, das sind die Herren mit den lustigen Schärpen um den Bauch.

Mit Besagtem war es allerdings nicht meine Absicht Euch das Studium in Augsburg madig zu machen, sondern eben nur die dortigen Schattenseiten bewusst mitzuteilen.

In diesem Sinne,

Lasst euch nicht entmutigen,
Lasst euch nicht entmündigen,
Bewahrt euch die Kritikfähigkeit und behaltet Euer Unbehagen nicht für Euch!
Viel Glück und Bühne frei!

 
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