Freitag, 1. Februar 2008

CONTRA vs. Goppel

Bis die offizielle Stellungnahme fertig ist, gibts hier schon mal vorab, die Eingangserklärung, sowie die Forderungen, die Contra an den Minister, bei dem Gespräch im Hotel Drei Mohren, herangetragen haben.


Sehr geehrter Herr Dr. Goppel,

zunächst einmal möchten wir uns im Namen des Aktionsbündnisses für freie Bildung CONTRA bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie bereit zu diesem Termin waren. Nachdem im Juni letzten Jahres Mitglieder unseres Aktionsbündnisses und andere Studierende bei der Eröffnung des Neubaus der Fachhochschule, bei der auch Sie zugegen waren, vor jeder Lautäußerung von der bayerischen Polizei unter Anwendung von Gewalt aus dem Saal geschleift wurden, freut es uns um so mehr, dass Sie für heute Gesprächsbereitschaft signalisiert haben.

Ihr Ministerium und Ihre Partei haben zum Sommersemester 2007 allgemeine Studiengebühren zwischen 300 und 500 Euro für sämtliche bayerische Hochschulen eingeführt. Ziel dabei war mit Ihren eigenen Worten, "den jungen Menschen eine nach ihren eigenen Maßstäben bestmögliche Ausbildung bieten zu können." (Rede zur Eröffnung des Werkstattgesprächs "Ein Jahr Hochschulreform - Erfahrungen und Erwartungen" am 6.Juli 2007)

Schon in den Jahren zuvor tat sich Ihr Ministerium mit der Einführung von Verwaltungsgebühren und der Einrichtung von Elitestudiengängen hervor. Die massive finanzielle Förderung letzterer zeigt, dass offensichtlich genug Geld da ist. Es ist halt nur immer die Frage: wofür?

Die Ausbildung der "Elite" von morgen lässt sich der bayerische Freistaat gerne etwas kosten. (Sachmittel in Höhe von 14 Mio. Euro von bayerischer Staatsregierung und Vereinigung der bayerischen Wirtschaft für das Elitenetzwerk Bayern mit Elitestudiengängen, internationalen DoktorandInnenkollegs und allgemeiner Hochbegabtenförderung) Investitionen in die "Elite" gelten als sichere Investitionen. Nicht so sicher ist dagegen, ob Staat und Wirtschaft tatsächlich soviele gemeine Anglisten, Soziologinnen, Lehrer und Volkswirtschaftlerinnen brauchen. Deshalb sollen wir uns gefälligst mit 500 Euro pro Semester an den Kosten unserer Aus-Bildung beteiligen. Und wenn sich später herausstellen sollte, dass wir falsch in unser "Humankapital" investiert haben, hat die Bundesagentur für Arbeit bestimmt noch ein paar nette Maßnahmen für uns parat oder den einen oder anderern Job im Dienstleistungsbereich. Denn wie der Präsident des deutschen Groß- und Einzelhandelsverbandes Anton F. Börner so schön formulierte: "Für viele Arbeiten können Arbeitgeber keine Löhne zahlen, die zum Leben reichen" (in Compass 2/07), was für Börner beweist, dass der Grundsatz, "Der Arbeitslohn muss zum Leben reichen" schlicht falsch sei.

Kommen wir gerade vom Thema ab? Wollten wir hier nicht über Studiengebühren reden? Ja, das wollen wir. Aber Studiengebühren sind nicht isoliert zu betrachten vom gegenwärtigen Umbau der Hochschullandschaft und gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen. Wohin man sieht, sind Menschen damit konfrontiert, dass sie mehr zahlen, mehr leisten und mehr arbeiten sollen und gefälligst ihre Ansprüche und Bedürfnisse herunter zu schrauben haben. Nur wenn wir Studiengebühren zahlen, so heisst es, kann die Ausstattung der Hochschulen an künftige Studierendenzahlen angepasst werden. Nur wenn die Löhne sinken, lässt sich die Zahl der Arbeitslosen reduzieren. Doch was haben wir von niedrigeren Arbeitslosen- und höheren Studierendenzahlen, wenn das nur bedeutet, dass sich der Lebensstandard für die große Mehrheit der Bevölkerung ständig verschlechtert?! Was interessiert uns ein ausgeglichener Landeshaushalt und eine florierende Wirtschaft, wenn wir diese nur durch Einschnitte in unsere Geldbeutel32 zu spüren bekommen?!

Bei der Einführung von Studiengebühren, so die entsprechenden Verlautbarungen Ihres Ministeriums, wurde ausdrücklich auf deren soziale Verträglichkeit geachtet. Doch erstens wird diese vermeintliche Sozialverträglichkeit bei genauerem Hinsehen sehr fraglich und zweitens ist grundsätzlich zu fragen, was Schlagworte wie Sozialverträglichkeit und Chancengleichheit angesichts der von PISA und anderen Studien nachgewiesenen sozialen Selektivität des deutschen und insbesondere des bayerischen Bildungswesens überhaupt heißen sollen.

Auch die gerne angeführten Gestaltungsspielräume der Hochschulen im gegenwärtigen Umbauprozess sind kritisch zu betrachten, legen Politik und Wirtschaft doch deren Rahmenbedingungen fest. Konkurrenzfähigkeit als oberstes Gebot findet ihren Ausdruck in der Bedeutungszunahme von Uni-Rankings. So werden die einzelnen Hochschulen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Studierenden zueinander in Konkurrenz um das größte Stück vom Kuchen gesetzt. Bildungsinstitutionen und die sich in ihnen bewegenden Personen werden damit umittelbarer denn je den Marktimperativen ausgesetzt.

Ihr Handeln und das Ihrer Partei steht unter dem Einfluss von Sachzwängen. Diese Sachzwänge sind jedoch bei genauerer Betrachtung wie alles Gesellschaftliche von Menschen gemacht. Sachzwänge können nur so lange ihre Wirkung zeitigen, wie Menschen bereit sind, diese zu exekutieren. Als Aktionsbündnis für freie Bildung sind wir dazu nicht bereit. Wir treten ein für eine Gesellschaft, in der alle Menschen gemeinsam für die Erfüllung ihrer unterschiedlichen Bedürfnisse Verantwortung tragen. In diesem Sinne können wir Sie nur dazu auffordern, die Studiengebühren zurück zu nehmen. Denn wie jedes Bedürfnis muss auch das nach Bildung unabhängig vom jeweiligen Geldbeutel befriedigbar sein.

Forderungen des Aktionsbündnisses für freie Bildung CONTRA
überreicht an Staatsminister Dr. Thomas Goppel am 31.01.2008
- Abschaffung des sozial selektiven viergliedrigen Schulsystems.
- Abschaffung der Studiengebühren.
- Einführung der Verfassten Studierendenschaft.
- Stop des unmittelbaren Einflusses der Wirtschaft auf die Hochschulen.
- Tatsächliche Demokratisierung der Hochschulen mit gleichen Mitspracherechten für
Studierende, wissenschaftsstützendes Personal, akademischer Mittelbau und
ProfessorInnenschaft.

1 Kommentar:

jensel hat gesagt…

Vergangenen Donnerstag hatten wir die Ehre eine Audienz bei seiner Selbstherrlichkeit Goppel zu haben. Wir - das Aktionsbündnis für freie Bildung haben es durch einen geschickten Schachzug eingefädelt.

Vorgeschichte, vergangenes Jahr war Thomas (Goppel) zu der Einweihung der neuen FH - da gab sehr schnell unschöne Szenen von Polizeigewalt. Im Nachhinein sagte man uns wir hätten doch nur anfragen müssen, dann hätte Herr Goppel sicher Zeit für uns gehabt. So hat der Präsident der FH sich dann auf unsere Erinnerung hin - und wohl in der besänftigenden Hoffnung um einen Termin für uns mit Thomas (Goppel) bemüht. Er sollte an diesem Tag bei der Einweihung des neuen FH Kindergartens zugegen sein. So trafen wir uns ein Stündle im Steigenberger Drei Mohren.

Für uns war von Anfang an Klar das wir uns eigentlich nicht viel zu sagen haben werden, sicher Thomas (Goppel) war rethorisch fit - erwartungsgemäß für einen bayrischen Spitzenpolitiker. Inhaltlich allerdings sehr mager.
Kurzresumee ... die SPD ist an allem Schuld, die hat damals ja sogar verhindert das Migrantenkinder deutsch lernen (und er meinte wohl in seinem Sonnenscheinköpfchen das sie sonst die gleichen Chancen hätten auf eine Akademische Laufbahn *ploink). Er ist heilfroh das die CSU und auch die CDU denen jetzt mal so richtig Deutsch beibringen dürfen. Wobei manchmal nicht ganz klar war was er alles mit diesem Deutsch meinte.
Die Fragen hin zu seinem politichem Selbstverständnis, von politischer Verantwortung und seinem Verständnis von einem Sozialstaat konnte er nur marginal beantworten und flüchtete sich an dieser Stelle immer in ein Nichtssagendes "Im Mittelpunkt steht der Mensch" .. Ja Thomas - wer denn sonst.

Was er nicht sagen wollte, bzw. nachdem wir solange gestichelt hatten das er sich dann doch verplappert hat, ist daß er für eine Leistungsgesellschaft eintritt. Wer mehr leistet, bekommt auch mehr. Und wer mehr will, muss auch mehr leisten. Ungleiche Startvoraussetzungen - Grundannahme von Sozialstaatlichen Prinzipien - blendet er wehement aus - bzw. versucht Kontextwidrig der SPD alles in die Schuhe zu schieben.

Es gab einen kleinen Eklat mit einer sehr Provokanten Einzelmeinung, die am Ende vielleicht garnicht so verkehrt war wie es anfangs schien. Wer Chancenungleichheit toleriert, nichts dagegen unternimmt - politsichen Gestanltungsspielraum nicht wahrnimmt und stattdessen eine Leistungsgesellschaft proklamiert tritt in letzter Instanz doch für einen Staat mit Schicht, Kasten oder wie das böse Wort gefallen ist "Rassen"grenzen ein... Es wird nur wenige Gewinner geben, die meisten werden Verlierer sein. Das tut Thomas, und wie er versicherte seine ganze verantwortungsbewußte Räuberbande CSU-Bande.


hier der dazu passende AZ Artikel - hier die Gesprächsgrundlage

 
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