Mittwoch, 29. August 2007

Drittmittelforschung für MLP

Gestern gab es was zu feiern an der Universität: 5 Jahre »Kernkompetenzzentrum IT & Finanzdienstleistungen«. Ein Minister war da und der Noch-nicht-Präsident Noch-Rektor Bottke freute sich laut Augsburger Allgemeine (vom 29.08.2007) wie ein Schneekönig über »den Edelstein in der Krone der Uni«. Der Laden muss die Menschheit ja mächtig voranbringen. Dass gerade die Zusammenarbeit mit MLP Glanz bringen soll - so zitiert die Zeitung Bottke - lässt einen schon wieder skeptisch werden. MLP hat ja bisweilen schlechte Schlagzeilen und bringt es mindestens auf ein sehr aktives Watchblog. (Sicherheitshalber kein Link, aber eine Google-Suche hilft weiter.)
Zurück nach Augsburg: Was haben die eigentlich für Kompetenzen in dem gefeierten Zentrum? Sie entwickeln für Finanzdienstleister zum Beispiel IT-gestützte individualisierte Altersvorsorgeberatung. Diese Beratungswerkzeuge sind dann erfolgreich, wenn möglichst viel MLP-»Berater« das Spielzeug einsetzen und damit viele Abschlüsse tätigen. (Eberhard/Zimmermann 2007: 22) Im Klartext heißt das: Im Rahmen universitäter Forschung soll nicht die Menschheit vorangebracht werden, sondern die Profite und Aktionenkurse von MLP sollen glänzen und die Alterversorgung des »gehobene(n) Kundensegment(s)« (Eberhard/Zimmermann 2007: 10) abgesichert werden.
Man kümmert sich also um »eine Operationalisierung für den von Politik und Wirtschaft gegenwärtig stark propagierten Bereich der privaten Altersvorsorge« (Eberhard/Zimmermann 2007: 2). Wie es zu solchen Entwicklungen kommt*, ob sie gesellschaftlich wünschenswert sind und was das weniger gehobene Kundensegment davon hat, wird nicht thematisiert.
Schon ein Blick auf den Ausgangspunkt der Beratungen lässt einem übrigens den kalten Schauer über den Rücken laufen:Hier wird die Versorgungslücke, die Differenz zwischen erwarteter Alterversorgung und gewünschter Altersversorgung, im grafischen Benutzerinterface angezeigt. (Abbildung aus Eberhard/Zimmermann 2007: 21) Diese nur vorgeblich intuitive Grafik ist meistens der Ausgangspunkt für das Verkaufsgespräch, wie man es sich so auch im »Kernkompetenzzentrum« vorstellt. Zur Berechnung der Lücke muss der Kunde Inflationsrate und Todeszeitpunkt angeben. Für MLP besonders praktisch: Je länger der Kunde leben will, desto höher wird die Versorgungslücke und damit der Sparbetrag ausfallen. Auch die Inflationsrate in den nächsten 62 Jahren bis zum Tod ist natürlich absolut ungewiss, eine Überschätzung führt zu einem übermäßig hohen Sparbetrag, eine Unterschätzung zu einer zu niedrigen Alterversorgung – schon hier tritt die Unzulänglichkeit kapitalgedeckter Altervorsorge mehr als deutlich zu Tage.
Wenn die Grundlage für eine Empfehlung zur Alterversorgung aber zwei unbekannte Parameter sind, dann wird die ganze Beratung eher zum Voodoo-Zauber als zum wissenschaftlich fundierten Ratschlag. Sicher ist nur, dass MLP als Gewinner übrig bleibt. Deren Drittmittel sind deswegen an der Universität Augsburg auch gut angelegt. Warum allerdings solche Forschungen eine Universität schmücken sollen ist eine Frage, deren Antwort der Rektor schuldig bleibt.
* vgl. etwa: Christian Marschallek, 2007: Die »schlichte Notwendigkeit« privater Altersvorsorge: Zur Wissenssoziologie der deutschen Rentenpolitik. In: Zeitschrift für Soziologie 33 (Aug. 2004), 285–302 (Volltext im Uninetz)

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