Dienstag, 14. August 2007

„Menschen sterben und ihr schweigt, Scheiben klirren und ihr schreit.“

Heiligendamm. Praktisch alle Zeitungen beschäftigten sich während des G8-Gipfels mit dem Schwarzen Block und der Gewaltbereitschaft der Linksradikalen. Fast alle empörten sich maßlos darüber. Die Ablehnung von Gewalt ist eine Sache, die Ablehnung derer, die Gewalt als politisches Mittel ansehen, eine andere. Die zahlreichen Gruppierungen, die Teil der Großdemonstration waren, hatten den Konsens, auf Gewalt zu verzichten. Dass das gebrochen wurde, ist schlimm. Schlimm ist aber auch, dass die Ursachen der Gewalt nicht hinterfragt wurden. Ist in Deutschland alles Friede, Freude, Eierkuchen? In Frankreich brennen jede Nacht einige Autos. Dort mögen die sozialen Spannungen größer sein. Aber vielleicht zeigt ein brennendes Auto in Deutschland auch endlich einmal, dass das Desinteresse der Politik an den Menschen und die Unmöglichkeit, sich politisch zu partizipieren ohne im gleichgeschalteten Politikergerede zu enden, zu extremen Reaktionen führen kann. Abgesehen davon, dass Autonome Steine geworfen haben, stellt sich noch die Frage, wer das provoziert hat. Die Vermutung liegt nahe, dass Beamte in Zivil anfingen Randale zu machen. Das klingt nach einer Verschwörungstheorie. Doch die Aufdeckung eines „Zivis“ während den Blockadezügen rund um Heiligendamm, der die Leute zum Steine werfen aufforderte, lässt vermuten, dass das nicht der einzige Fall war. Und etwas Besseres konnte Wolfgang Schäuble nun wirklich nicht passieren. Das rechtfertigte alle seine repressiven Maßnahmen, die ihm im Vorfeld der G8-Proteste viel Kritik einbrachten.

Zwar nicht in den Medien, so gab es doch Möglichkeit sich in der Rostocker Innenstadt mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Der Alternativgipfel fand vom 5.-7. Juni statt. An über 130 Workshops und Podiumsdiskussionen zu Themen wie globale Gerechtigkeit, Umwelt, Klima & Energie, Krieg und Militarisierung, Migration und Rassismus, Arbeit, Soziales und Bildung nahmen tausende Interessierte teil. Die Eröffnungsrede des Alternativgipfels hielt Jean Ziegler, UN-Sonderbeauftragter für das Recht auf Nahrung, in der überfüllten Nikolaikirche. Ziegler zeigte eindrucksvoll, dass die Globalisierung, die wir im Augenblick erleben, sich so nicht weiterentwickeln darf. Er nannte Fakten: 100.000 Menschen sterben jeden Tag an Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen. Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. 842 Millionen Menschen waren 2005 permanent schwer unterernährt, 2004 waren es noch 826 Millionen. Das heißt, die Zahl steigt stetig. Die heutige Landwirtschaft ist in der Lage, ohne Probleme 12 Milliarden Menschen zu ernähren. Das heißt, dass ein Kind das heute an Hunger stirbt, ermordet wird. So bringt es Jean Ziegler auf den Punkt. Die Verantwortung dafür tragen vor allem auch die G8-Staaten. Mit astronomischen Subventionen kann der Bauer aus der dritten Welt noch so viel arbeiten, er wird seine Ernte nicht verkaufen können. Und das wiederum zwingt viele Menschen dazu, unter Todesgefahr zu emigrieren. Aber anstatt ihnen hier geholfen wird, müssen sie sich staatlicher Willkür beugen, werden in Lagern untergebracht, werden abgeschoben oder bekommen erst gar kein Asyl.

Der G8-Gipfel ist eine Farce. Eine Elite von acht Staatschefs nimmt sich auf undemokratische Weise das Recht heraus, global wirkende Entscheidungen zu treffen. Der zwölf Millionen Euro teure Zaun ist eine gute Metapher: Die Mächtigen isolieren sich und schotten sich mit Gewalt vom Rest der Welt ab. Und as mit dem Ziel, auf Kosten der anderen 186 Staaten ihren Machtstatus zu sichern.

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