Montag, 22. Juni 2009

Redebeitrag der Studierenden auf der Bildungsstreik-Demo in Augsburg am 17.06.09

Was machen wir hier eigentlich? Und was bringt es, dass wir uns heute hier und viele Menschen in anderen Städten versammeln und demonstrieren?

Des Öfteren gibt es nach Demonstrationen Fragen wie „Wie war`s?“ oder auch „Hat`s was gebracht?“.
Oft scheinen die Erwartungen und die Ziele einer Demonstration nicht klar zu sein, viele erhoffen sich zu viel. Die, die sich nichts erhoffen, gehen oft nicht mehr hin, nachdem sie frustriert sind von den Demos, die ja alle nichts gebracht haben.
Eine Demonstration ist kein legislativer Gesetzgebungsakt, wo Gesetze verabschiedet würden.
Eine Demonstration trägt stattdessen zur öffentlichen politischen Willens- und Meinungsbildung bei, sie hat die gesellschaftliche Aufklärung zum Ziel. Deshalb findet sie auch in der Öffentlichkeit statt und bedarf auch der medialen Öffentlichkeit um gehört und verbreitetet zu werden.

Die Gesellschaft über Missstände im Bildungsbereich und deren gesellschaftlich-ökonomische Ursachen aufzuklären ist der Grund warum wir heute hier sind.
Wenn der eigene Protestwille in einer einzigen Demonstration aufgeht, missversteht man den politischen Prozess der Öffentlichkeit und der Parteien.
Wenn man behauptet Demonstrationen bringen nichts, so missversteht man was eine Demonstration ist.
Wenn man dagegen betrachtet, in wie wenigen Bundesländern Studiengebühren eingeführt wurden, nämlich in 6, und wie stark das Thema „Bildung“ die Öffentlichkeit, wie die Medien politisiert, dann sieht man, was andauernder Protest und andauernde Demonstrationen bringen.
Es kann bei einer Demonstration wohl vor allem nur darum gehen, sich selbst und andere aufzuklären und kritisches politisches Bewusstsein zu erzeugen.

Ich möchte euch heute etwas dazu sagen, wie sich die Änderungen im Hochschulbereich auf uns selbst auswirken, wie sich unser Begriff des Studierens wandelt.
Deswegen will ich etwas zu Studiengebühren, zum Bologna-Prozess und zur studentischen Mitbestimmung sagen.

Durch Studiengebühren sind wir zu Kunden geworden, die einen angeblichen Anspruch auf ihr Produkt „Bildung“ haben und dieses angeblich einfordern können. Was wir aber wirklich einfordern können, sollten wir mittlerweile gemerkt haben, nämlich Nichts.
Das Positive am Kunden bleibt auf der Strecke aber alles Negative finden wir an uns selbst. Indem wir Kunden geworden sind, hat die Bildung ihre Freiheit verloren. Wir kaufen ein Produkt. Wir können uns nur noch selbst verwerten und unser Abschluss wird für uns zunehmend zu biographischem Kapital.
Universitäre Bildung hatte zwar immer schon den Zweck der beruflichen Qualifizierung, aber das Besondere der jetzigen Umstrukturierung ist, dass wir schon während wir uns bilden, uns selbst verdinglichen. Was ich damit meine ist, dass sich unser Studium im Abschlusszeugnis verwirklicht und dieses Zeugnis für uns und für den Arbeitsmarkt unsere Bildung ist. Wir bilden uns nicht zu Selbstbestimmung & Solidarität, bilden nicht unsere Kritik- und Reflexionsfähigkeit. Wir bilden uns zur Konformität. Die Steigerung des Humankapitals des Einzelnen, kurz unser Marktwert, ist was übrig bleibt von unserer Bildung. Die Gesellschaft & Wirtschaft braucht fähige ausbeutbare humane Ressourcen und indem wir diese Ziele übernehmen machen wir uns eben selbst zum Material, das zu funktionieren hat für die Zwecke der Gewinnmaximierung.

Durch den Bologna-Prozess und dessen Dauerüberprüfung der Anwesenheit und des Leistungsdrucks verewigen wir das Leistungsprinzip und den Wettbewerb an der Universität. In unserer Leistungsgesellschaft sehen wir wohin unser Bildungssystem uns führt. Der Sozialstaat wird abgebaut und ersetzt durch eine Gesellschaft der Konkurrenz. Wir sollen uns anpassen an die neuen Verhältnisse. Wir sollen dem Standort Deutschland zu neuem Glanz verhelfen im Wettbewerb des Globalen Marktes. Nicht weil Deutschland ein guter Staat für die Menschen, die darin leben ist sollen wir dazu beitragen ihn zu erhalten. Wir sollen Deutschland wettbewerbsfähig halten, damit die Kapitalströme fließen und der Standort gewinnversprechend ist. Wir sind die Idioten, die ihr Wissen als Produkt und Ware uns selbst entfremden und geben sie nicht her damit es allen besser geht, sondern damit die Kasse stimmt.
Es droht uns, dass wir nicht mehr glauben der gute Staat ist der, in dem es Menschen gut geht, sondern der, der den Wettbewerb gewinnt.

Durch unser bisschen Maß an Mitbestimmung gehen wir in die Falle der Sozialpartnerschaft. Wir dürfen mitbestimmen, müssen aber überstimmbar bleiben, so dass wir alles mittragen müssen aber keine reale Bestimmungsmöglichkeit haben.
Bis 1974 hatten dagegen Studierende in viertelparitätisch besetzten Gremien deutlich mehr Mitspracherecht, bis das in der Ära Kohl „nachgebessert“ wurde.

So entsteht der Schein, Protest wäre nicht mehr nötig, da wir doch die direkten Wege über die Gremien gehen können und trotzdem ändert sich nichts. Gleichzeitig ziehen wir unsere eigenen Kommilitonen in den Asten in die Verantwortung, um unsere Wünsche durchzusetzen und genau dadurch entmachten wir uns selbst.
Wir verlassen uns auf unsere Mitbestimmung in Gremien, die keine ist. Wir geben unsere Stimmen bei der Bundestagswahl ab, wir geben sie ab bei Landtags- und Kommunalwahlen. Geben wir sie auch an der Universität ab, haben wir keine Stimme mehr mit der wir auf die Straße gehen können und unsere Rechte einfordern können. Das hier ist kein Aufruf Wahlen zu boykottieren, das ist ein Aufruf wählen zu gehen aber seine Stimme zu behalten. Unsere Vertreter sind da, um uns zu vertreten und nicht um unser politisches Bewusstsein zu ersetzen! Wenn wir unsere Stimmen gemeinsam sprechen lassen werden wir gehört. Wenn wir sie einzelnen wenigen geben kann man sie ignorieren.

Gemeinsam sind wir stärker als allein! Also lasst uns gemeinsam protestieren. Nicht nur hier und nicht nur heute. Aber fürs erste: Bringen wir den Protest auf die Straße!

Keine Kommentare:

 
blank info