Freitag, 13. Juli 2007

200.000 Euro: viel Geld, trotzdem zu wenig

Wie an den meisten größeren Universitäten, an denen zum Boykott der Studiengebühren aufgerufen wurde, sind wir in Augsburg am selbstgesetzten Quorum gescheitert. Statt der anvisierten 2000 Studierenden beteiligten sich nur gut 400 und überwiesen die formal korrekt und euphemistisch zugleich »Studienbeiträge« genannten Gebühren auf das eigens eingerichtete Treuhandkonto. Erfolge konnten bisher nur kleinere Hochschulen wie die Hamburger Hochschule für bildende Künste oder die Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe aufweisen. Eine überschaubare Zahl an Studierenden erleichtert die Kommunikation und die Solidarität, wodurch die Beteiligungen zwischen 30 und 80% wohl maßgeblich zu erklären sind.

Um die Frage nach Erfolg oder Misserfolg der Boykottbemühungen bezogen auf unsere Situation in Augsburg beantworten zu können, müssen jedoch zunächst einige Zahlen herangezogen werden. An der Universität Augsburg studieren rund 15 000 Menschen. Etwa 14% davon oder ca. 2000 besitzen eine ausländische Staatsangehörigkeit. Für sie ist die Teilnahme am Boykott gleichbedeutend mit einer Gefährdung ihrer Aufenthaltsgenehmigung. Dazu kommt ein etwa ebenso hoch ausfallender Anteil an Studierenden, die zum Wintersemester aus der Uni Augsburg ausscheiden bzw. sich erstmals immatrikulieren werden und deshalb nicht zu den potentiellen Boykotteurinnen und Boykotteuren gerechnet werden können. Rund 15% der Studierenden sind zudem auf Antrag von den Gebühren befreit, die meisten, weil ihre Eltern für drei oder mehr Kinder Kindergeld beziehen. Etwa 9% sind zusätzlich wegen Beurlaubungen von der Beitragspflicht ausgenommen. Dazu kommen etwa 2% der Studierenden, die zur Finanzierung der Studiengebühren ein Darlehen bei der KfW-Bank aufnehmen mussten, wodurch ihnen die Möglichkeit genommen wurde, sich für oder gegen den Boykott zu entscheiden. Ihre 500 Euro werden direkt von der Bank an die Hochschule überwiesen.

Dies alles berücksichtigt ergibt sich, dass nur ca. die Hälfte der Studierenden an der Universität Augsburg, also etwa 7500, überhaupt die Möglichkeit hatten, sich am Boykott zu beteiligen. Um das Quorum von 2000 Boykotteurinnen und Boykotteuren zu erreichen, hätten demnach 27% aller aktuell beitragspflichtigen Studierenden auf das Treuhandkonto überweisen müssen. Das war ein hochgestecktes Ziel. Wir sind stolz darauf, dass die Studierenden uns mit der Überweisung von insgesamt über 200.000 EUR auf das Treuhandkonto sehr viel Vertrauen entgegengebracht haben. Der Betrag wird nun rechtzeitig an die Universität überwiesen. Das bedeutet, dass die Studierenden auch für das Wintersemester korrekt zurückgemeldet sind.

Doch nicht nur über 400 Boykotteurinnen und Boykotteure in Augsburg, sondern auch die 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der studentischen Vollversammlung im April und die 2000 auf der Demonstration für freie Bildung im Juni haben gezeigt, dass sie die politische Entscheidung zur Einführung allgemeiner Studiengebühren nicht widerspruchslos hinnehmen. Wir sehen unseren Protest deshalb trotz nicht Erreichen des Boykott-Quorums nicht als erledigt an, sondern fordern die Leitung unserer Universität nachdrücklich dazu auf, den ihr zur Verfügung stehenden Handlungsspielraum auszuschöpfen und die Studiengebühren auf 300 Euro herabzusetzen. Desweiteren fordern wir von der Universitätsleitung, sich im Rahmen der bayrischen Hochschulkonferenz Universität Bayern e.V. und gegenüber der bayerischen Landesregierung für eine unbedingte Rücknahme der Gebühren einzusetzen. Die für Bildung notwendigen Gelder sind aus öffentlichen Mitteln zu tragen und nicht durch individuelle Beiträge der Studierenden. Auch im kommenden Semester werden wir der Leitung unserer Universität und der bayerischen Landesregierung durch vielfältige Aktionen zu verstehen geben, dass wir die Pläne zur Umstrukturierung der Hochschulen, von denen Studiengebühren nur einen Teil darstellen, als inakzeptabel zurückweisen.

Unsere Kommilitoninnen und Kommilitonen möchten wir an dieser Stelle nocheinmal daran erinnern: Eine »andere Welt« jenseits der Spar- und Verwertungslogik wird es nur geben, wenn wir dafür kämpfen. Auch eine »andere Bildung« gibt es nicht in dieser ökonomisierten Welt und sie wird uns nicht geschenkt werden. Organisieren wir uns also weiter als Studierende, nehmen wir die Vertretung unserer Interessen in unsere eigenen Hände!

Für freie Bildung!
Für ein gutes Leben für alle Menschen!
Auch das nächste Semester wird ein Protestsemester.

Contra – Aktionsbündnis für freie Bildung
Augsburg Juli 2007

Link dazu:
Studiengebühren: Boykott gescheitert, Augsburger Allgemeine 16.07. 2007

 
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