Samstag, 27. Oktober 2007

Verbindungen - die netten Jungs von nebenan???

In der neuesten Ausgabe des von der Katholischen Hochschulgemeinde unterstützten und mitfinanzierten Magazins "Presstige" liefern sich die RedakteurInnen mal wieder ein heißes Kopf-an-Kopf-Rennen um den ersten Platz in Sachen unkritischem Journalismus. Ganz vorne mit dabei: Katrin Strehle mit ihrem Beitrag "Ganz schön ausgefuxt" über Augsburger Studentenverbindungen.

Zwar wird im Text erwähnt, dass die Burschenschaftler der Rheno-Palatia kritische Fragen mitgeschrieben hätten, welche das aber sein sollen, ist nur mit sehr viel gutem Willen herauszufinden. Vielleicht meint die Autorin ja die Frage, warum Frauen in der Regel nach wie vor die Mitgliedschaft in Verbindungen verweigert wird. Auf die gibt sie sich dann allerdings mit einer Antwort zufrieden, die auf "Tradition" verweist und das "Lebensbundprinzip", also der alten männerbündischen Leier, dass Frauen ja nur Scherereien bedeuten und ein Risiko für "echte Männerfreundschaften" darstellen. Dass es beim Pauken genannten Fechten nicht um das Verletzen des Gegners geht und das Bedienen der "Bundesbrüder" in der Fuxenzeit nicht als Unterordnung verstanden wird, kann man aus dem Artikel ebenfalls erfahren. Wie sich für eine Frau gehört, wiederholt die Autorin brav, was ihr die Burschen erzählen. Dass hinter diesen für Strehle allenfalls etwas merkwürdig anmutenden Praktiken mehr steckt, es um das Ausbilden traditionell soldatischer "Tugenden" wie die Überwindung als unmännlich geltender Angst- und Schutzreflexe geht, wird von der Autorin entweder für akzeptabel erachtet oder überhaupt nicht durchschaut.

Um etwas über Burschenschaften jenseits deren positiver Selbstdarstellung zu erfahren, dokumentieren wir daher im Folgenden ein Flugblatt der "DiskuTANTEN", das vor einigen Jahren an der Uni kursierte. Mit "Vorurteilen" ihnen gegenüber, die die Burschenschaftler im Presstige bejammern dürfen, hat das nichts zu tun. Eine Kritik an der männerbündischen, reaktionären Vergangenheit und Gegenwart der Verbindungen tut vielmehr Not, so lange diese Anachronismen weiter rekrutieren.


Verbindungen - die netten Jungs von nebenan???

Burschenschaften sind...

"... ein Haufen verhetzter, irregeleiteter, mäßig gebildeter, versoffener und farbentragender junger Deutscher" (Kurt Tucholsky)

Studentenverbindungen? Sind das nicht nur harmlose Traditionsverbände, die saufen, singen und fechten? Oder steckt mehr dahinter? Für nichtkorporierte Laien scheinen die Strukturen des Verbindungswesens kaum durchschaubar. Rund eintausend Verbindungen bestehen an den Hochschulen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Dabei ist Verbindung oder Korporation nur ein Sammelbegriff. Im einzelnen spalten sich diese auf in Burschenschaften, Landsmannschaften und Corps.

Burschenschaften
Sie sind alle farbentragend und größtenteils schlagend. Der größte Dachverband ist die Deutsche Burschenschaft (DB), in der 130 Verbindungen organisiert sind. In die DB werden nur gesunde, nichtbehinderte "volksdeutsche" Männer aufgenommen, die den Kriegsdienst nicht verweigert haben. (In Augsburg: B! Rheno-Palatia)

Landsmannschaften
Sie stellen die älteste Form studentischer Verbindung dar. Im bedeutendsten Dachverband, dem Coburger Convent (CC), sind rund 100 farbentragende und schlagende Landsmannschaften und Turnerschaften zusammengeschlossen. Im Gegensatz zur DB bezeichnet sich der CC gerne als unpolitisch - seine Toleranz zeigt sich allerdings insbesondere in Bezug auf seine rechtsradikalen Mitglieder. (In Augsburg: Akademische Landsmannschaft Suevia im BdSt)

Corps
Im Unterschied zu den Burschenschaften standen die Corps schon immer für das elitäre Studententum. Heute noch sehen sich die Corps als Elite unter den Verbindungen und schotten sich gegenüber der Außenwelt ab. Die meisten farbentragenden und schlagenden Corps haen sich entweder dem Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV) oder dem Weinheimer Senioren-Convent (WSC) angeschlossen. (In Augsburg: Corps Rhaetia)

Sich als "Verbindung" definierend:
- KDStV Algovia Augsburg im CV (Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen)
- Katholische Studentenverbindung Ludovicia Augsburg

Kurzer geschichtlicher Abriss
Die Burschenschaften waren von Anfang an, d.h. seit ihrer Entstehung unter den gesellschaftlichen Bedingungen der sog. Befreiungskriege (1813ff.), ein Hort des Nationalismus, Militarismus und Rassismus (vor 1945 insbesondere in Form des Antisemitismus). Die Burschenschaftsdachverbände DB und ADB führten schon 1923/24 den "Arier-Nachweis", d.h. den institutionalisierten Antisemitismus, in ihren Organisationsstatuten ein. Die Burschenschaften nahmen die entsprechenden antisemitischen Maßnahmen der Nazis fast um ein Jahrzehnt vorweg.
Diese historischen Tatsachen reichen für eine völlige Diskreditierung des Burschenschaftsunwesens aus, aus Vollständigkeit sei jedoch hinzugefügt, dass die Burschenschaften auch heute noch große Teile der Menschheit diskriminieren: Frauen, bundesrepublikanische Menschen mit ausländischem Pass sowie ehemalige Zivildienstleistende sind von der Mitgliedschaft in aller Regel pauschal ausgeschlossen. Burschenschaften und ihre Häuser sind folglich heute noch Orte praktizierten Rassismus und Sexismus. Ferner stammt das akademische Potential rechtsradikaler Parteien und Organisationen mit auffallender Häufigkeit aus Burschenschaften (z.B. der ehemalige Stuttgarter REP-Landtagsfraktionschef und REP-Bundesvorsitzende Schlierer).

Ein Männerbund fürs Leben
Die Seilschaften des Korporationsstudententums bieten weißen, nichtbehinderten deutschen Männern die Möglichkeit, in führende Positionen gehoben zu werden. Beispiele für diese besondere Art der Karriere sind H.M. Schleyer, Ferdinand Porsche, Dieter Stolte (Intendant des ZDF) und Heinz-Klaus Mertes (Programmchef von Sat1). Andere Korporierte dienten sich bis in verschiedene Entscheidungsebenen der Politik: Kinkel, Kanther, Schäuble, Kohl, Adenauer, Strauß, Stoiber, Beckstein usw.
Das Korporationswesen entstand in einer Zeit, als die Universitäten nur Männern offenstanden. Bis heute sind Frauen aus den korporierten Zirkeln augeschlossen, ebenso wie sie aus allen wichtigen und entscheidungstragenden Positionen der Gesellschaft ferngehalten werden.
Zitat Katholische Studentenverbindung Ludovicia Augsburg:
"Früher war es einfach nicht üblich, dass Frauen studierten und daher stellte sich diese Frage auch gar nicht."
So konnte man noch 1980 in den "Burschenschaftlichen Blättern" lesen: "Unser Burschenbrauchtum ist immer auf eine männliche Gruppe abgestimmt. Die menschliche Weltordnung ist auf das Männliche ausgerichtet." (Quelle: Beyer (2000): "...und er muss deutsch sein...")
Nationalismus und Militarismus gehören seit jeher zu den Eckpfeilern der Ideologie der Verbindungen. Sie propagieren einen völkischen Nationalismus und unterstreichen durch Fechten, Uniformtragen und einen hierarchisch-autoritären Aufbau ihre Bewunderung für Militär und Militarismus.
1992 wurde auf dem DB in Eisenach von den meisten Korporationen ein Großdeutsches Reich in den Grenzen von 1939 gefordert. Geistige Verwandtschaften zum Rechtsextremismus sind augenfällig. Folgerichtig gibt es einige Querverbindungen ins neonazistische Lager. Besonders in der sog. Neuen Rechten, die eine Intellektualisierung der extremen Rechten anstrebt, engagieren sich viele Korporierte.
Ein Beispiel unter vielen ist der neurechte Multifunktionär Hans Ulrich Kopp. Dieser ist Vorsitzender des Altherrenverbandes Danubia München und Mitglied des Witikobundes. Gleichzeitig fungierte er als Sprecher des republikanischen Hochschulverbands und war journalistisch tätig bei den Rechtsaußenpostillen "Criticon" und "Junge Freiheit". Die in Verbindungskreisen viel gelesene Zeitschrift "Junge Freiheit" bemüht sich schon seit längerem, rechtsradikales Gedankengut salonfähig zu machen.

Reduktionistisches Frauenbild
Verbindungen sind auf das Männliche ausgerichtet: Frauen werden in den Verbindungen als "schmückendes Beiwerk" gesehen, die bei bestimmten Feiern von den Mitgliedern präsentiert werden. Die Frau, die ihre Lebensaufgabe in der Funktion als Hausfrau und Mutter sieht, wird geduldet. Frauen werden somit nicht als gleichberechtigte Partnerinnen oder gleichberechtigte Mitmenschen gesehen, sondern allein wegen ihres Geschlechts ausgeschlossen und innerhalb der Verbindungsstruktur für weniger wertvoll erachtet. Dieses Frauenbild des "Schmucks", die ansonsten innerhalb der patriarchalischen Struktur der Korporationen nichts zu suchen haben, ist äußerst reduktionistisch und mit traditionellem Aspekt behaftet.
Trinkspruch von der Homepage der Augsburger Burschenschaft Vindelicia:
"Frauen, die nicht wollen, DIE SOLL DER TEUFEL HOLEN."

Zucht und Unterordnung
Das Prinzip der Hierarchie studentischer Verbindungen läßt sich im streng hierarchisch organisierten Männerbund erkennen. Der Neuling in der Verbindung muss dabei als unterstes Glied verschiedene Pflichten und Initiationsrituale durchlaufen, um in der Gemeinschaft aufzusteigen. Dadurch wird dem neuen Mitglied vor allem aber die Unterordnung in die hierarchische Struktur und Gehorsam vermittelt.
Das Element der Unterordnung in die Gemeinschaft durchzieht das ganze Verbindungsleben, denn selbst als aktives Mitglied ist Mann den vorgegebenen Rahmenbedingungen der Alten Herren unterworfen. Die Zugehörigkeit zu der Gemeinschaft endet aber nicht mit dem Studienabschluss, sondern der Verbindungsstudent wird automatisch zu einem Alten Herren, der die Verbindung finanziell mit am Leben erhält und den Aktien durch seine gesellschaftliche Position innerhalb des Berufslebens nützliche Beziehungen schafft. Dieser elitäre und exklusive Charakter der Seilschaft gilt innerhalb der Korporationen als Treueprinzip, das dazu beiträgt, den "Lebensbund" aufrecht zu halten.

Kämpfen bis zur Selbstaufgabe
Das Prinzip der Hierarchie kommt in seiner historischen Dimension auch bei Trinkritualen zum Tragen, da sie der totalen Hierarchisierung und der Ausschaltung der natürlichen Bedürfnisse dienten: Noch heute hält Mann an dem Ritual fest, wobei erwartet wird, dass Mann solange wie nur irgendmöglich mittrinkt. Das soll der Integration die Gemeinschaft, sowie der Unterordnung eigener Bedürfnisse dienen, weil die "natürliche" Grenze überschritten werden muss, um Standfestigkeit zu beweisen und in der Runde anerkannt zu werden.
Bei einem weiteren Strukturmerkmal, dem Mensurfechten, geht es auch wieder darum, Schlägen und militaristischem Kampf ohne Angst vor Schmerzen entgegen zu sehen und zu ertragen. Diese Art des Kampfes kennt keine Sieger im sportlichen Sinne, sondern nur die Ideologie der Dominanz über die Schwäche des Anderen. Der Glaube an die Überlegenheit des Stärkerern und der Kampf bis zur Selbstaufgae werden als Ideale des Männlichen dargestellt. Der Fechtkampf dient neben dieser militaristischen Art der Persönlichkeitsbildung aber auch als "erzieherische" Maßnahme, um männliche Härte, Bruderschaft und eine enge Verbindung zur Gemeinschaft herauszubilden.

DiskuTANTEN

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

... http://www.bildblog.de/2568/bild-entnazifiziert-burschenschaften
Viel Spaß damit.

Unknown hat gesagt…

Respekt! --- Wir danken für die kritische Reflexion mit dem Augsburger Verbundungs(un)wesen und die fundierte Recherche. Leider ist Ihnen entgangen, dass die Burschenschaft Rheno-Palatia nicht der DB (Deutschen Burschenschaft) angehört, sondern der NeuenDB, der Neuen Deutschen Burschenschaft. Wir werden uns bemühen, dies auf unserer Website (www.rheno-palatia.de) noch deutlicher darzustellen.
Nur eines noch: warum war die Autorin des PRESTIGE-Artikels die einzige Frau (!), die seit Jahren sich eine Meinung in einem persönlichen Gespräch mit uns gebildet hat und nicht nur aus alten Artikeln abgeschrieben hat?
Sind so die "kritischen Studenten" von heute? Unsere Kontaktdaten stehe auf unserer Homepage und wir freuen uns auf ein Gespräch.
Burschenschaft Rheno-Palatia Augsburg

 
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